2019 Altenwerder
August und Sptember 2019
Der Fußweg nach Altenwerder führt unter der Autobahn A 7 entlang. Das Viadukt wird im Bereich Altenwerder und Moorburg auch „Hochstraße Elbmarsch“ genannt. Zwischen 1971 bis 1974 wurde die A 7 über eine Länge von 3840 Metern ein paar Meter oberhalb des weichen Marschbodens errichtet.
Hier befand sich bis in die 1990er-Jahre das Dorf Altenwerder.
Altenwerder
Bereits im späten Mittelalter wurde die Flussinsel Oldenwerdere bedeicht und besiedelt. Bis in das 20. Jh. standen die Häuser nur am ringförmigen Außendeich der Flussinsel – vor allen an der Nord- und Ostseite. Der eingedeichte Innenbereich wurde landwirtschaftlich genutzt. Ungefähr in der Mitte der ehemaligen Flussinsel befand sich die Kirche. Ein Weg in Ost-West-Richtung (der Altenwerder Querweg) und ein zweiter von Norden nach Süden (Norderkirchweg im Norden und Kirchdorfweg im Süden) verband die Kirche mit der Bebauung am Ringdeich. Im 20. Jh. errichtete man auch im Innern der ehemaligen Insel, an der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straße, eine Reihe von Wohnhäusern mit Nutzgärten. Der westliche Teil Altenwerders wurde in den 20er-Jahren von der Eisenbahntrasse durchschnitten, die den neu angelegten Waltershofer Hafen mit Harburg und dem Fernverkehrsnetz verband. Anfang der 70er-Jahren kam die sechsspurige Autobahn A 7 hinzu, die auf Pfeilern wenige Meter über dem weichen Marschboden gebaut wurde und zwischen der Eisenbahntrasse und der Kirche verläuft.
Ab den 1960er-Jahren kaufte die Stadt Hamburg schrittweise die Grundstücke des Dorfes auf, weil das Gebiet für eine Hafenerweiterung in Betracht kam. Die von den Bewohnern verlassenen Gebäude wurden abgerissen. Ende der 1990er-Jahre verließen die letzten Bewohner das ehemalige Dorf – zeitgleich mit dem Beginn der Aufspülungsarbeiten für den Containerterminal Altenwerder. Nur die Kirche St. Gertrud blieb stehen, zusammen mit dem umgebenden Friedhof und einem Grünstreifen, der sich mit etwa einem Kilometer Länge in Nord-Süd-Richtung erstreckt.
Der Kirchturm ist genau einen halben Kilometer Luftlinie entfernt, die Windkraftanlage steht nur 80 Meter näher. Im Frühjahr 2009 wurden in Altenwerder zwei der mächtigen Windräder vom Typ E-126 der Firma Enercon aufgestellt. Damals waren sie mit einer Nennleistung von 6 Megawatt die leistungsstärksten Windkraftanlagen der Welt. Wenn ein Flügel oben steht, ist die Anlage mit einer Gesamthöhe von 198,5 Metern mehr als dreimal so groß wie der Kirchturm.
Dieser Feldweg umzieht ein naturbelassenes Gelände nördlich der Kirche.
Der Weg an anderer Stelle.
Durch das Grün erstreckt sich ein neu angelegter Entwässerungsgraben, der in die Bullerrinne mündet.
Eine Messstation für den Wasserpegel in dem Graben.
Parallel zum Graben führt ein schmaler Trampelpfad durch das Gestrüpp.
Blick über eine Wiese in dem Grüngebiet.
Annäherung an die Kirche St. Gertrud aus nördlicher Richtung.
Eine Engelsfigur auf einem Grabmal an der Nordseite der Kirche.
Die Südseite der Kirche, vom Friedhof gesehen. Das jetzige Bauwerk wurde mit Ausnahme des Turms von 1830 bis 1831 errichtet. Im Jahr 1895 kam der 62 Meter hohe Turm hinzu. Die Kirche ist heute im Besitz der Hamburg Port Authority, die sie an die Kirchengemeinde Hausbruch-Neuwiedenthal-Altenwerder vermietet. (Ich habe ein wenig geschummelt und das visuell sehr störende Windkraftwerk im Hintergrund wegretuschiert.)
An der Nordseite der Kirche.
An einigen Tagen im Jahr ist die Kirche geöffnet. Hier der Eingang an der Nordseite.
Im vorderen Teil der Kirche wird mit Fotos, Karten und anderen Memorabilien an die Geschichte des ehemaligen Dorfes Altenwerder erinnert. Der hintere Bereich des Kirchenschiffs ist als Kirchencafé eingerichtet.
Der Altar von St. Gertrud.
Die wohltuende Schönheit der Einfachheit – Treppe zur Empore.
Der Innenraum der Kirche von der westlichen Empore aus gesehen.
Der freundliche Küster führt Besucher in den Kirchturm. Diese Fenster erhellen den Raum im ersten Stockwerk über der Empore.
Vor dort führt diese Treppe in den Raum mit dem Uhrwerk.
Das Uhrwerk aus dem Jahr 1895 läuft rein mechanisch und funktioniert immer noch. Einmal peo Woche wird es vom Küster per Handkurbel aufgezogen. Unten links ist ein Teil des Schlagwerks für die Glocke zu sehen. Beide Mechanismen sind weitgehend entkoppelt. Die Verbindung erfolgt über den Hebel, der am unteren Bildrand zu sehen ist und vom Uhrwerk bewegt wird, um den Mechanismus für die Schlagfolge auszulösen.
Widmungsplakette an der Uhr.
Ein Stockwerk über dem Uhrwerk befindet sich die Glockenstube mit dem stählernen Glockenstuhl und der großen Glocke.
Zwei Elektromotoren im Glockenstuhl.
Blick fast senkrecht nach oben in die Glockenstube. An allen vier Seiten sind die blau gefärbten Lamellen in den Schallfenster zu sehen, die den Glockenklang nach draußen lassen (und im Frühjahr die brütenden Turmfalken nach innen). Theoretisch ginge es noch höher, denn eine Treppe führt zu einer Aussichtsplattform über der Glockenstube. Die Fenster der Aussichtsplattform sind von außen im spitz zulaufenden Turm zu sehen. Allerdings darf die Treppe zur Zeit aus Gründen der Sicherheit nicht benutzt werden. Abgesehen davon müsste man, um sie zu erreichen, akrobatische Übungen durch den gesamten Glockenstuhl vollführen, der die Bodenfläche der Glockenstube ausfüllt.
Auf der Höhe des Glockenstuhls führt eine Öffnung in das Gebälk über dem Tonnengewölbe des Innenraums.
Von dort kann man seitwärts um etwa ein Stockwerk hinabsteigen, quasi auf die Decke über den Emporen, und einmal um das Tonnengewölbe herum laufen. Das Bild zeigt den Blick von dort unten schräg nach oben.
Auf dem Rückweg: Der Blick von ganz oben in den Kirchenraum. Nach der Turmerkundung wurden wir im hinteren Teil des Kirchenschiffes mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen überrascht.
Der Friedhof und die Grünanlage rund um die Kirche wird gepflegt.
Die meisten Grabstätten sind eingeebnet, aber einige Grabsteine stehen noch.
Nicht alle Zugänge zum Friedhof sind benutzbar.
Den Kirchdorfweg, der in früheren Zeiten die Kirche mit dem Altenwerder Außendeich im Süden verband, gibt es noch in voller Länge, nur hat er sich optisch ein wenig verändert.
Hier befanden sich in früherer Zeit überwiegend Obstplantagen.
Am südlichen Ende des langgezogenen Grünstreifens, wahrscheinlich auf Höhe des früheren Ringdeiches.
Südlich der Kirche entdeckt man Reste von verwilderten Obstplantagen.
Eine Tafel informiert, dass dieser Mühlenstein von der 1873 errichteten Mühle der Fam. Otte am Westerdeich stammt.
Heute sehen „Windmühlen“ anders aus. Aus dieser Perspektive scheint die moderne Windkraftanlage direkt neben dem Kirchturm von St. Gertrud zu stehen, aber zwischen den beiden Türmen liegen rund 200 Meter Distanz.
Ein im Zuge der Neugestaltung des Geländes neu ausgehobener Entwässerungsgraben (im Norden nennt man ihn eine „Wetter"), der im verbliebenen Grünstreifen bei der Kirche in Süd-Nord-Richtung verläuft.
Das südliche der beiden großen Windkraftanlagen.
Die eiförmige Design lässt das Maschinenhaus attraktiv aussehen. Leider sind die Gondeln aktueller Modelle weniger harmonisch gestaltet.
Der Fuß der nördlich der Kirche gelegenen Windkraftanlage E-126. Am Boden beträgt der Durchmesser des Turms 16,5 Meter. Allein im Fundament wurden 3.500 Tonnen Stahlbeton verarbeitet. Die Pfähle reichen durchschnittlich 25 Meter tief in den Erdboden.
Im Nordosten ist ein Fragment der Straße vom Altenwerder Außendeich parallel zur Bullerrinne erhalten geblieben. Allerdings ist die Straße kaum wiederzuerkennen, weil sich die Natur seit mehr als zwanzig Jahren den Weg zurückerobert.
Wenn Bäume in einer Reihe eng beieinander stehen, deutet das auf eine ehemalige, seit Jahrzehnten verwilderte Hecke hin.
Die Bullerrinne liegt nördlich vom verbliebenen Fragment des Altenwerder Außendeichs und verläuft parallel zu ihm. Ursprünglich bezeichnete der Name einen breiten Entwässerungsgraben, der weiter nördlich lag, zwischen dem Korbmachersand und dem namengebenden Vorland „Am Buller“. Als in den 1970er-Jahren der Hansaport am neuen Sandauhafen gebaut wurde, verlegte man die Rinne in ihren heutigen Lauf.
In den Uferbereichen breitet sich ein Teppich von Wasserlinsen aus, auch Entengrütze genannt.
Man vergisst, sich in einer Oase inmitten eines Hafengebietes mit Kaianlagen, Containerbrücken, riesigen Lagerflächen mit aufgetürmten Containern und breiten Eisenbahntrassen zu befinden.
Das Weiß im Uferbereich der Bullerrinne sind die Wasserlinsen, deren feuchte Oberflächen das Himmelslicht reflektieren.
Vor dem Gitter am Abfluss der Bullerrinne in Richtung Köhlbrand staut sich die Entengrütze zusammen mit anderen Wasserpflanzen. (Sieht aus wie gerührtes Waldmeister-Speiseeis mit gemahlenen Vanilleschoten.)