Kleiner Grasbrook
Ein kleiner Exkurs zum Thema Grasbrook:
Der kleine und der große Grasbrook sind heute durch die etwa 400 Meter breite Norderelbe getrennt. Als „Großen Grasbrook“ bezeichnet man ein Gebiet zwischen Innenstadt und Norderelbe. Dort begannen 2003 die ersten Baumaßnahmen für die Hafencity. Der „Kleine Grasbrook“ am Südufer der Norderelbe lag bis in das frühe 19. Jahrhundert als Flussinsel im Elbstrom. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Insel, nachdem sie landfest geworden war, Namensgeber des Stadtteils „Kleiner Grasbrook“ südlich der Norderelbe, zwischen den Stadtteilen Steinwerder im Westen, Veddel im Osten und Wilhelmsburg im Süden. Noch im späten Mittelalter bildeten beide Teile des Grasbrooks eine Einheit – den „Brook“ (auch „Brok“, „Broeck“, „Bruch“ und ähnlich genannt), ein mit Gras bewachsenes, von Prielen durchzogenes Vorland zwischen der befestigten Stadt Hamburg und der Elbe.
Im Mittelalter
Wie aber kam es zu der Trennung des Brooks durch die Elbe? Um die Frage zu beantworten, muss man in der Geschichte weit zurück gehen: So wie noch heute, dehnte sich auch im Mittelalter die Elbniederung südlich von Hamburg sehr breit aus. Die Elbe umfloss mit einem nördlichen und einem südlichen Arm die große Insel „Gorieswerder“, die noch im Mittelalter in mehrere Teile zerbrach. Hamburg lag damals gar nicht direkt an der Elbe, sondern auf dem westlichen Ende eines langgestreckten Geestrückens am Ostufer der Alster, etwa anderthalb Kilometer nördlich der Elbe. Südwestlich dieses Geestrückens mündete womöglich die Bille mehrarmig in die Alster. Das Wasser der beiden Flüsse erreichte erst mehrere Kilometer westlich der Stadt den nördlichen Elbarm und bildete bis dorthin eine Art Mündungstrichter, das „Alstertief“, das im Süden vom Brook begrenzt war. Im Westen schlossen sich an den Brook Flussinseln an (u. a. der spätere „Grevenhof“) sowie Wattflächen, die bei Niedrigwasser trockenfielen. Durch diese komplizierte Lage Hamburgs hatten es die Schiffer nicht leicht, aus dem Elbstrom in den Hamburger Hafen zu gelangen. Erschwerend kam hinzu, dass der Hauptstrom des Elbwassers nicht die nördliche Route wählte, sondern den gradlinigeren südlichen Elbarm bevorzugte. Daher drohte den Schiffen im breit gefächerten Nordarm der Elbe Gefahr durch viele Untiefen.
Der Neue Graben
Für Hamburg war die Erreichbarkeit seines Hafens durch Frachtschiffe existenziell, denn die Hansestadt lebte vom Handel. Da im 16. Jahrhundert die Wassertiefe der nördlichen Elbarme weiter abnahm (womöglich bedingt durch die Abdämmung der „Gose Elbe“ und der „Gamme“ im 14. und 15. Jahrhundert) und der Tiefgang der Frachtschiffe zunahm (u. a. durch die Einführung der Kraweel-Bauweise), wurden Maßnahmen getroffen, um die Durchströmung der Fahrrinne, insbesondere im Alstertief, zu verstärken. Die Alster führte für diesen Zweck nicht genügend Wasser und das Elbwasser kam gar nicht dorthin, weil der Brook, die Grevenhofinsel und im Osten die langgestreckte Flussinsel Grandeswerder im Wege lagen. Abhilfe erreichte man durch mehrere Regulierungen des Elblaufs. Eine von ihnen war um 1550 das Durchtrennen von Grandeswerder, wodurch im Osten Elbwasser in den Hafen Hamburgs dringen konnte. Eine andere war 1604 oder bereits Mitte des 16. Jahrhunderts das diagonale Durchschneiden des Brooks von Nordwest nach Südost mit dem „Neuer Graben“ („Nye Grave“). Diese und andere Maßnahmen bewirkten, dass das Elbwasser zunehmend durch die nördlichen Elbarme und dort durch den künstlichen Graben im Brook floss. Nordöstlich des Neuen Grabens sprach man nun vom großen und südwestlich vom kleinen Grasbrook. Danach war die Entwicklung ein Selbstgänger: Der verstärkte Wasserfluss durch den neuen Graben verbreiterte und vertiefte den künstlichen Kanal nun auf natürliche Weise und im Gegenzug verlandeten die flachen Elbarme südlich des kleinen Grasbrooks und des Grevenhofs. Der kleine Grasbrook, längst zur Elbinsel geworden, verlor also im Norden Land und gewann im Süden neues hinzu, „wanderte“ also in südliche Richtung und näherte sich den Flussinseln auf der Südseite der Norderelbe an. Von denen war er um 1800 nur noch durch Priele getrennt, die bald darauf abgedämmt wurden. Der ursprünglich künstlich angelegte Graben durch den Brook wuchs zum Hauptstrom der Norderelbe an, der noch heute die beiden Teile des Grasbrooks trennt. Auf diese Weise griffen die Hamburger bereits vor Jahrhunderten in die natürliche Entwicklung des Flusslaufs ein und zogen die Elbe zu sich heran, denn bis zum Durchschnitt des Brooks lag Hamburg nicht an der Elbe, sondern an Alster und Bille.
Literatur:
Hellmuth Elers: Chronologie und Calendarium der Geschichte Hamburgs's. Im Commissionsverlage von Wm. Oncken, Hamburg 1868.
Cipriano Francisko Gaedechens: Historische Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg und ihrer nächsten Umgebung von der Entstehung bis auf die Gegenwart. W. Mauke Söhne, vormals Perthes Besser & Mauke, Hamburg 1880.
Wilhelm Melhop: Historisch-topographische Übersicht. In: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hamburg (Hrsg.): Hamburg und seine Bauten unter Berücksichtigung der Nachbarstädte Altona und Wandsbek 1914. Boysen+Maasch, Hamburg 1914.
Der kleine und der große Grasbrook sind heute durch die etwa 400 Meter breite Norderelbe getrennt. Als „Großen Grasbrook“ bezeichnet man ein Gebiet zwischen Innenstadt und Norderelbe. Dort begannen 2003 die ersten Baumaßnahmen für die Hafencity. Der „Kleine Grasbrook“ am Südufer der Norderelbe lag bis in das frühe 19. Jahrhundert als Flussinsel im Elbstrom. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Insel, nachdem sie landfest geworden war, Namensgeber des Stadtteils „Kleiner Grasbrook“ südlich der Norderelbe, zwischen den Stadtteilen Steinwerder im Westen, Veddel im Osten und Wilhelmsburg im Süden. Noch im späten Mittelalter bildeten beide Teile des Grasbrooks eine Einheit – den „Brook“ (auch „Brok“, „Broeck“, „Bruch“ und ähnlich genannt), ein mit Gras bewachsenes, von Prielen durchzogenes Vorland zwischen der befestigten Stadt Hamburg und der Elbe.
Im Mittelalter
Wie aber kam es zu der Trennung des Brooks durch die Elbe? Um die Frage zu beantworten, muss man in der Geschichte weit zurück gehen: So wie noch heute, dehnte sich auch im Mittelalter die Elbniederung südlich von Hamburg sehr breit aus. Die Elbe umfloss mit einem nördlichen und einem südlichen Arm die große Insel „Gorieswerder“, die noch im Mittelalter in mehrere Teile zerbrach. Hamburg lag damals gar nicht direkt an der Elbe, sondern auf dem westlichen Ende eines langgestreckten Geestrückens am Ostufer der Alster, etwa anderthalb Kilometer nördlich der Elbe. Südwestlich dieses Geestrückens mündete womöglich die Bille mehrarmig in die Alster. Das Wasser der beiden Flüsse erreichte erst mehrere Kilometer westlich der Stadt den nördlichen Elbarm und bildete bis dorthin eine Art Mündungstrichter, das „Alstertief“, das im Süden vom Brook begrenzt war. Im Westen schlossen sich an den Brook Flussinseln an (u. a. der spätere „Grevenhof“) sowie Wattflächen, die bei Niedrigwasser trockenfielen. Durch diese komplizierte Lage Hamburgs hatten es die Schiffer nicht leicht, aus dem Elbstrom in den Hamburger Hafen zu gelangen. Erschwerend kam hinzu, dass der Hauptstrom des Elbwassers nicht die nördliche Route wählte, sondern den gradlinigeren südlichen Elbarm bevorzugte. Daher drohte den Schiffen im breit gefächerten Nordarm der Elbe Gefahr durch viele Untiefen.
Der Neue Graben
Für Hamburg war die Erreichbarkeit seines Hafens durch Frachtschiffe existenziell, denn die Hansestadt lebte vom Handel. Da im 16. Jahrhundert die Wassertiefe der nördlichen Elbarme weiter abnahm (womöglich bedingt durch die Abdämmung der „Gose Elbe“ und der „Gamme“ im 14. und 15. Jahrhundert) und der Tiefgang der Frachtschiffe zunahm (u. a. durch die Einführung der Kraweel-Bauweise), wurden Maßnahmen getroffen, um die Durchströmung der Fahrrinne, insbesondere im Alstertief, zu verstärken. Die Alster führte für diesen Zweck nicht genügend Wasser und das Elbwasser kam gar nicht dorthin, weil der Brook, die Grevenhofinsel und im Osten die langgestreckte Flussinsel Grandeswerder im Wege lagen. Abhilfe erreichte man durch mehrere Regulierungen des Elblaufs. Eine von ihnen war um 1550 das Durchtrennen von Grandeswerder, wodurch im Osten Elbwasser in den Hafen Hamburgs dringen konnte. Eine andere war 1604 oder bereits Mitte des 16. Jahrhunderts das diagonale Durchschneiden des Brooks von Nordwest nach Südost mit dem „Neuer Graben“ („Nye Grave“). Diese und andere Maßnahmen bewirkten, dass das Elbwasser zunehmend durch die nördlichen Elbarme und dort durch den künstlichen Graben im Brook floss. Nordöstlich des Neuen Grabens sprach man nun vom großen und südwestlich vom kleinen Grasbrook. Danach war die Entwicklung ein Selbstgänger: Der verstärkte Wasserfluss durch den neuen Graben verbreiterte und vertiefte den künstlichen Kanal nun auf natürliche Weise und im Gegenzug verlandeten die flachen Elbarme südlich des kleinen Grasbrooks und des Grevenhofs. Der kleine Grasbrook, längst zur Elbinsel geworden, verlor also im Norden Land und gewann im Süden neues hinzu, „wanderte“ also in südliche Richtung und näherte sich den Flussinseln auf der Südseite der Norderelbe an. Von denen war er um 1800 nur noch durch Priele getrennt, die bald darauf abgedämmt wurden. Der ursprünglich künstlich angelegte Graben durch den Brook wuchs zum Hauptstrom der Norderelbe an, der noch heute die beiden Teile des Grasbrooks trennt. Auf diese Weise griffen die Hamburger bereits vor Jahrhunderten in die natürliche Entwicklung des Flusslaufs ein und zogen die Elbe zu sich heran, denn bis zum Durchschnitt des Brooks lag Hamburg nicht an der Elbe, sondern an Alster und Bille.
Literatur:
Hellmuth Elers: Chronologie und Calendarium der Geschichte Hamburgs's. Im Commissionsverlage von Wm. Oncken, Hamburg 1868.
Cipriano Francisko Gaedechens: Historische Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg und ihrer nächsten Umgebung von der Entstehung bis auf die Gegenwart. W. Mauke Söhne, vormals Perthes Besser & Mauke, Hamburg 1880.
Wilhelm Melhop: Historisch-topographische Übersicht. In: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hamburg (Hrsg.): Hamburg und seine Bauten unter Berücksichtigung der Nachbarstädte Altona und Wandsbek 1914. Boysen+Maasch, Hamburg 1914.